Persönliche Erklärung im Deutschen Bundestag zur Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke

Zur heutigen Abstimmung im Deutschen Bundestag über die Änderung des Atomgesetzes hat der SPD-Bundestagsabgeordnete Oliver Kaczmarek eine persönliche Erklärung abgegeben:

Der Deutsche Bundestag berät heute in zweiter und dritter Lesung über das elfte und zwölfte Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes. Angesichts der Tragweite dieser Gesetze für zukünftige Generationen und der kritikwürdigen parlamentarischen Vorgehensweise nehme ich mein parlamentarisches Recht wahr, mein Abstimmungsverhalten mit dieser Erklärung gesondert zu begründen.

Seit der ersten Lesung der Gesetzentwürfe am 1.10.2010 sind noch nicht einmal vier Wochen vergangen. Die Anhörung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit hat am 21.10.2010 im Deutschen Bundestag stattgefunden. Aufgrund der extrem begrenzten Zeit für diese Anhörung konnten einige wichtige Aspekte in diesem Themenbereich wie beispielsweise Fragen zur Endlagerung des erheblichen zusätzlichen radioaktiven Abfalls durch die Laufzeitverlängerung nicht erörtert werden. Dennoch sind während der Anhörung Aspekte dargelegt worden, deren Einbeziehung oder gar Lösung im bisherigen Gesetzgebungsverfahren nicht erkennbar waren. Ich nenne beispielhaft die Sachverständige Hildegard Müller (Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V.), die wettbewerbliche Nachteile des Energiekonzepts u.a. für die Stadtwerke konstatiert hat und dafür einen Nachteilsausgleich vorschlug. Dieser Aspekt konnte neben anderen nicht mehr in das Gesetzgebungsverfahren einbezogen werden. Die Bundesregierung war nicht in der Lage, in der Sitzung des zuständigen Ausschusses am 25.10.2010 angemessen auf diese Fragestellungen zu antworten. Eine wettbewerbliche Benachteiligung der Stadtwerke ist daher als wahrscheinlich anzunehmen.

Das von der Koalitionsmehrheit angewandte Verfahren im Umweltausschuss ist den Anforderungen an ein transparentes parlamentarisches Verfahren dieser Tragweite in keiner Weise gewachsen. So wurde die Öffentlichkeit von der Abstimmung im Umweltausschuss ausgeschlossen, mehreren Abgeordneten wurde das Recht verweigert, mündliche Änderungsanträge zum Gesetzgebungsverfahren gem. § 71 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundestages zu stellen, die Berichterstattung durch Berichterstatter der Opposition wurde mit dem spekulativen Vorwurf der Unredlichkeit verhindert. Die Koalitionsmehrheit ließ in keiner Weise erkennen, die unterschiedlichen Standpunkte zu den Gesetzentwürfen angemessen erörtern zu wollen.

Ohne erkennbaren Sachzwang soll das Gesetzgebungsverfahren durch die Koalitionsmehrheit innerhalb von knapp vier Wochen zum Abschluss gebracht werden. Die fachliche Beratung des zuständigen Ausschusses für die Reaktorsicherheit betrug knapp eine Stunde. Angesichts der Tragweite und der mit dem Beschluss verbundenen Risiken für viele in Deutschland lebenden Generationen wäre eine Zustimmung zu diesen Gesetzen mit einer verantwortlichen Übernahme des mir von den Wählerinnen und Wählern meines Wahlkreises übertragenen Mandats nicht vereinbar.

Deshalb werde ich alle in Verbindung mit dem sog. Energiekonzept der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwürfe ablehnen und erkläre ausdrücklich meine Missbilligung über den Gesetzgebungszeitplan und das parlamentarische Vorgehen der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP.