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Moderne Schulgebäude und anregende Lernorte zusammen denken

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Liebhaberobjekt für Handwerker. So könnte die Anzeige lauten, wenn man auf den Sanierungsbedarf vieler deutscher Schulen schaut. Allen Beteiligten in Bund, Ländern und Kommune ist klar, dass mehr in unsere Schulen investiert werden muss. Dabei gilt im großen Maßstab ähnliches wie bei der kleinen Privatimmobilie. Wenn ich mir eine moderne Solaranlage aufs Dach setzte, muss ich erst sehen, dass das Dach in Ordnung ist.

Das Kooperationsverbot im Schulbereich wird gelockert. Der große Durchbruch bei der Neuverhandlung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen ermöglicht es dem Bund, finanzschwache Kommunen beim Erhalt und Ausbau der Bildungsinfrastruktur zu unterstützen. Der Kabinettsbeschluss zur Änderung des Grundgesetzes eröffnet das parlamentarische Verfahren. Damit schaffen wir es, noch in diesem Jahr die ersten Gelder für unsere Kommunen zu bewegen. Durch die damit finanzierten Baumaßnahmen können wir mehr erreichen als moderne Schulgebäude. Mit den richtigen Konzepten schaffen wir gleichzeitig anregende Lernorte, die einen Impuls geben für den Bildungserfolg unserer Kinder.

Selbstverständlich sind die Herausforderungen an unseren Schulen komplexer als im oben genannten Beispiel. Der Grundsatz bleibt aber richtig. Wenn wir eine moderne Lernkultur gestalten wollen, brauchen wir beides: Moderne und sanierte Schulgebäude, um einen Grundstandard an funktionierender Infrastruktur inklusive aktueller Energieeffizienztechnik und Barrierearmut bereitzustellen, und die Schaffung ansprechender Lernlandschaften, die mehr Lernerfolg mit offenen, digitalen und inklusiven Methoden ermöglichen. Denn aus der Bildungsforschung wissen wir, dass Schülerinnen und Schüler besser lernen in offenen, multifunktionalen Räumlichkeiten. Hinzu kommt, dass freiwillig angenommene Angebote einen deutlich höheren Lernerfolg haben. Und in gut ausgebaute Schulen gehen Schülerinnen und Schüler nachweislich lieber. Für gelingende Investitionen gilt es deswegen im Rahmen einer nationalen Bildungsallianz beides zu berücksichtigen.

Genauso wichtig ist es den Konsens der Schulgemeinde schon bei der Planung zu erreichen. Lehrerinnen und Lehrer füllen anregende Lernorte mit Leben. Nur wenn ein moderner Lernort adäquat genutzt wird, kann er seine pädagogische Wirkung entfalten. Schülerinnen und Schüler sowie deren Eltern bestimmen ebenso die Gestaltung einer Schule mit, damit sie neue Konzepte mittragen. Für die Verankerung der Schulen im Stadtteil ist auch die Rolle der Nachbarschaften einer Schule nicht zu unterschätzen. Wir brauchen keine Programme die von oben verordnet werden, sondern eine starke und gestaltende Schulgemeinschaft.

Die Ausgangslagen sind in den Ländern höchst verschieden. In Nordrhein-Westfalen hat die Landesregierung den Bedarf bereits erkannt und die Kommunen mit 2 Milliarden Euro zur Sanierung der Schulen ausgestattet. Andere Länder drängen hingegen mehr auf Investitionen in die Digitalisierung. Die Förderung des Bundes muss diese Unterschiede berücksichtigen und Lösungen im Baukastenformat für die verschiedenen Länder anbieten. Eine Debatte, die das eine auf Kosten des anderen ausschließt, ist nicht hilfreich.

Beispiel Ganztagsschule: Die Nachfrage nach den Plätzen übersteigt immer noch das Angebot. In der Ganztagsbetreuung erleben die Schülerinnen und Schüler individuelle Förderung nach ihren Interessen. Jedoch hängt der Erfolg von der Qualität der Lernlandschaft ab. Wenn wir den Ausbau finanzieren, dann direkt nach modernsten Kriterien. Aus den Ergebnissen des Begleitprogramms Ganztagsschule „Ideen für mehr! Ganztägig lernen.“ lassen sich drei zentrale Erkenntnisse ableiten. Erstens entsteht eine neue Lernkultur, die Phasen von Selbstlernen, von Lernen in der Gruppe und erlebnisorientiertes Lernen umfasst. Zweitens öffnet sich die Ganztagsschule durch Kooperationen mit Vereinen und Initiativen zur sozialen Landschaft in der Kommune. Drittens sorgen Ganztagsschulen für mehr Beteiligung der Schulgemeinschaft. Der Freiraum bei der Gestaltung des Ganztagsbetriebs ermutigt Schüler, Eltern und Lehrer gemeinsam neue Lehr- und Lernformen zu entwickeln. Diese drei Entwicklungen gehen einher mit neuen Anforderung an die Lernräume. Eine moderne Ganztagsschule muss multifunktionale Gruppenräume genauso enthalten, wie Orte für stilles selbstorganisiertes Lernen oder Begegnungs- und Entspannungszonen.

Beispiel berufliche Bildung: In den Übergreifenden Berufsbildungsstätten entscheidet sich, wie gut die Fachkräfte von morgen ausgebildet werden. Eine moderne Ausstattung und ein Konzept das berufliche und akademische Bildung gleich wertschätzt, unterstützt unsere Gesellschaft, den technologischen Wandel selbstbestimmt zu gestalten. Dazu gehören nicht nur neue Computer und Maschinen, sondern auch Lernräume, die auf ein selbstbestimmtes Arbeitsleben vorbereiten in welcher der Mensch seine gestaltende und entscheidende Autorität bewahren kann.

Bildung braucht Wertschätzung! Das wird sichtbar, wenn wir wertschätzend mit der Bildungsinfrastruktur umgehen. Wertschätzung bemisst sich aber nicht nur an der reinen Summe, die investiert wird, sondern auch an den Konzepten hinter den Investitionen. Um- und Neubau sollen neuste Erkenntnisse aus der Lernforschung integrieren. Deswegen ist mein Plädoyer: Moderne Schulgebäude und anregende Lernorte müssen zusammen gedacht werden!

Nationaler Bildungsbericht vorgelegt

Mit dem Nationalen Bildungsbericht 2012 ist zum vierten Mal eine bildungspolitisch unverzichtbare Zusammenschau der Kennzahlen und Dynamiken des deutschen Bildungswesens vorgelegt worden. Diese Form der Bildungsberichterstattung in Deutschland geht zurück auf eine gemeinsame Initiative der damaligen Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn und des Deutschen Bundestages. Auch wenn aktuelle Ergebnisse zeigen, dass die Anstrengungen insbesondere der Länder beginnen, sich in Einzelbereichen auszuzahlen, so ist der zentrale Befund des Bildungsberichts aber nach wie vor: Der soziale Hintergrund bestimmt weiterhin zu einem großen Teil den Bildungserfolg. Deutschland weist laut allen Bildungsberichten und Studien nach wie vor mit die höchste soziale Kopplung aller Industrienationen auf. In kaum ei-nem anderen Land hängt der Bildungserfolg so sehr von der sozialen Herkunft ab. Schon zur Geburt sind für viele die Weichen gestellt und die Chancen ungleich verteilt. Mit rund 20 Prozent der Kinder und Jugendlichen ist ein anhaltend hoher Anteil akut von Bildungsarmut bedroht. Überdurchschnittlich oft sind weiterhin Kinder mit Migrationshintergrund und aus sozial schwachen Familien von dieser Bildungsungerechtigkeit betroffen. Im Lichte großer Defizite an gleichen Bildungschancen und an ausreichenden Bildungsgrundlagen und -erfolge für alle ist so zu konstatieren: Deutschland wird dem Anspruch einer „Bildungsrepublik“ nicht gerecht. Es braucht gesamtstaatliche Verantwortung für Bildung, um neue Akzente in der Bildungsinfrastruktur zu setzen. Dazu brauchen wir aussagekräftige Bildungsberichte, die Steuerungswissen für Politik liefern.

In ihrem Antrag „Die Herausforderungen der „Bildungsrepublik“ mit den Erkenntnissen aus dem Nationalen Bildungsbericht angehen“ fordert die SPD-Bundestagsfraktion die Bundesregierung auf, eine neue gesamtstaatliche Verantwortung für Bildung wahrzunehmen. Das Kooperationsverbot für Bildung im Grundgesetz ist nicht mehr zeitgemäß und muss abgeschafft werden. Eine Ausbildungsgarantie für junge Menschen muss eingeführt und das Weiterbildungssystem gestärkt werden. Die Bildungsforschung und insbesondere die „Nationale Strategie für Alphabetisierung und Grundbildung“ müssen weiter vorangetrieben werden. Es gilt, gemeinsam mit den Ländern den Nationalen Bildungsbericht weiterzuentwickeln und so zu einem Hilfsinstrument für eine bessere Bildungszusammenarbeit von Bund und Ländern vorzubereiten.

Der Berichtsschwerpunkt lag 2012 im Nationalen Bildungsbericht in der kulturellen Bildung. Damit die kulturelle Bildung den Raum erhält, der ihr zusteht, und für alle Kinder zugänglich ist, muss diese mehr Zeit in den Bildungseinrichtungen erhalten. Auch aus diesem Grund ist der Ausbau des Ganztagschulangebots in Deutschland eines der zentralen Projekte der nächsten Jahre. Deutschland braucht einen Masterplan Ganztagsschule, mit dem in einem ersten Schritt bis 2015 ein flächendeckendes und bedarfsgerechtes ganztägiges Angebot sichergestellt wird und mit dem in einem zweiten Schritt alle Schulen in Deutschland bis zum Jahr 2020 zu Ganztagsschulen weiterentwickelt werden. Das Ziel der SPD-Bundestagsfraktion ist es, bis 2020 einen Rechtsanspruch auf Ganztagsschule für alle Schülerinnen und Schüler in allen Teilen des Landes zu realisieren.

Den Antrag der SPD-Bundestagsfraktion finden Sie unter: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/123/1712384.pdf