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Entscheidung für begrenzte PID-Freigabe

Nach einer intensiven Diskussion über die Fraktionsgrenzen hinweg hat der Bundestag nun mit Mehrheit einen Gesetzentwurf verabschiedet, der eine begrenzte Anwendung der Präimplantationsdiagnostik (PID) erlaubt. Straffrei bleibt demnach die PID dann, wenn bei mindestens einem Elternteil die genetische Veranlagung für eine schwerwiegende Erbkrankheit vorhanden ist oder mit Tod- oder Fehlgeburt zu  rechnen ist. Betroffenen Eltern sollen demnach nach gründlicher Beratung und Zustimmung einer Ethik-Kommission die Untersuchung in besonders zugelassenen PID-Zentren vornehmen lassen können. Ich selbst habe diesem Gesetzentwurf nach reiflicher Überlegung und in namentlicher Abstimmung zugestimmt.

Worum geht es bei der PID genau? Die PID ist eine Untersuchung des menschlichen Embryos, mit der Auffälligkeiten im Erbgut festgestellt werden können. Sie wird angewandt bei Paaren, die sich einer künstlichen Befruchtung unterziehen. Das heißt, der künstlich erzeugte Embryo wird ca. drei Tage nach der Befruchtung und vor der Einsetzung in die menschliche Gebärmutter in der sog. Petrischale genetisch untersucht. Nach Vorliegen des Untersuchungsergebnisses wird entschieden, ob der Embryo eingesetzt wird oder nicht.

Der Bundestag hat über diese Frage intensiv debattiert. Die Abgeordneten haben sich über Fraktionsgrenzen hinweg zu Gruppen zusammengeschlossen und drei Gesetzesvorlagen erarbeitet. Neben der, die letztlich die Mehrheit erreicht hat, gab es noch eine Vorlage, die die PID grundsätzlich verboten hätte, und eine, die die PID nur bei drohender Tod- oder Fehlgeburt erlaubt hätte. Alle Gruppen haben für ihre Position gute Argumente vorgetragen und der Bundestag hat eine seriöse Debatte geführt, die der Tragweite und der Ernsthaftigkeit der Entscheidung angemessen war.

Aus meinem Wahlkreis und von bundesweit tätigen Organisationen haben mich zahlreiche Zuschriften zu diesem Thema erreicht. Deshalb möchte ich an dieser Stelle einige Erläuterungen zu meiner Zustimmung zur begrenzten Freigabe der PID geben. Von den Gegnern der PID wurde vielfach vorgetragen, dass mit einer Zulassung der PID der Selektion von Menschen und der Sortierung lebenswertes und nicht lebenswertes Leben vorgenommen würde. Dieser Argumentation kann ich nicht folgen. Bei der PID wird eine künstlich befruchtete Eizelle in der Petrischale genetisch untersucht. Dieser Embryo trägt zweifellos das Programm in sich, ein Mensch zu werden. Er wird es aber nur, wenn er der Mutter eingesetzt wird. Es ist sicher eine schwere ethische Abgrenzung, aber ich persönlich kann dieser Form der Gleichsetzung eines in der Petrischale nicht überlebensfähigen Embryo mit einem lebenden Menschen nicht zustimmen. Hier unterscheidet sich mein Verständnis von einigen anderen Auffassungen.

Eine künstliche Befruchtung ist eine Angelegenheit, der sich Paare mit einem unerfüllten Kinderwunsch unterziehen, und dafür eine sehr aufwändige und physisch wie psychisch belastende Behandlung mit Hormonstimulierung und Operationen in Kauf nehmen. Ich habe einige Familien kennen gelernt. Sie haben mir von Ausnahmesituationen berichtet. Diesen Menschen begegne ich mit Vertrauen. Den Vorwurf, man könnte mit Hilfe der PID ein Baby nach eigenen Wünschen erzeugen, finde ich absurd und unpassend. Wer mit den betroffenen Menschen spricht, der wird feststellen, dass diese Menschen alles andere als leichtfertig handeln und sehr verantwortungsvoll mit ihrer Lage und dem ungeborenen Leben umgehen. Deshalb ist es richtig, diesen Menschen zuerst mit Vertrauen und Zutrauen zu begegnen und nicht mit Gesetzen.

Mit der PID ist es möglich, schwerwiegende Erbkrankheiten zu diagnostizieren. Dieses ist auch mit den Mitteln der Pränataldiagnostik (PND) möglich, also den Untersuchungen des ungeborenen Kindes während der Schwangerschaft. Es ist nach unserer Rechtslage und Rechtsprechung möglich, eine Abtreibung durchzuführen, wenn es hier eine entsprechende Indikation gibt. Anders herum gedacht: mit der PND kann man prüfen, was man mit einer PID schon hätte wissen können. Ich gebe hier der PID den Vorzug, wenn es eine Möglichkeit gibt, zwischen PND und PID zu wählen. Der Widerspruch zwischen dem Verbot einer PID und der Zulassung von PND und (Spät)Abtreibung ist von den Befürwortern des Verbots letztlich nie aufgelöst worden.

Schwer wiegend war für mich die Frage, ob die PID am Ende zu einem anderen Umgang mit Menschen mit Behinderung führen wird. Viele Verbände haben die Sorge geäußert, dass behinderte Menschen sich öfter mit der Frage auseinander setzen müssten, dass ihr Leben nicht gewünscht oder „vermeidbar“ sei. Diese Frage ist mir besonders wichtig, da ich im Rahmen meiner Berichterstattung für inklusive Bildung gerade mit Kindern mit Behinderung und deren Eltern in vielen Gesprächen bin. Dabei gilt für mich vor allem der Artikel 1 unseres Grundgesetzes „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Es ist meine Aufgabe als Politiker, sie zu achten und zu schützen. Mit dieser Auffassung trete ich allen Menschen gegenüber, egal woher sie kommen oder was sie mitbringen. Für mich entscheidet sich die Glaubwürdigkeit des Artikels 1 unseres Grundgesetzes in seiner gesetzgeberischen und gesellschaftlichen Praxis insbesondere darin, wie das gemeinsame Leben von Menschen mit und ohne Behinderung und der Anspruch auf Chancengleichheit umgesetzt wird. Hier gibt es in unserer Realität noch gewaltige Lücken zwischen formuliertem Anspruch und politischer Wirklichkeit. Was wir brauchen, ist ein klares und politisch unterlegtes Bekenntnis zum gemeinsamen Leben und zur uneingeschränkten Teilhabe von Menschen mit Behinderung.

Insgesamt war die PID-Entscheidung eine schwierige Abwägung. Und natürlich bleiben dabei auch Zweifel und gute Gegenargumente. Im Ergebnis hatte die Politik jedoch eine Entscheidung zu treffen, damit Rechtssicherheit geschaffen wird. Ob es in der Praxis noch Korrekturbedarf gibt, wird sich in den nächsten Jahren zeigen.