Bundesregierung bestätigt: Freie Software soll seltener genutzt werden

Offensichtlich soll im Auswärtigen Amt die Nutzung freier Software deutlich eingeschränkt werden – das zumindest geht aus der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der SPD-Bundestagsfraktion hervor, über die ich bereits hier berichtet habe. Die Kleine Anfrage beschäftigte sich mit der IT-Strategie der Bundesregierung. Insbesondere sollte geklärt werden, ob die Bundesregierung an dem Einsatz von freier Software im Auswärtigen Amt festhält. Die rot-grüne Bundesregierung hat vor circa zehn Jahren begonnen, alle Systeme auf freie Software umzustellen und damit im Auswärtigen Amt die IT-Ausgaben pro Arbeitsplatz deutlich reduziert. Nun also die Rolle Rückwärts.

Die Stellungnahme des Bundesinnenministeriums unterstreicht meine Vermutung, dass ein Wechsel auf proprietäre und somit unfreie Software durchgeführt wird. Sie zeigt, dass die SPD weiter am Ball bleiben und nachhaken muss. Sie finden die Antwort auf die Kleine Anfrage hier. Aus meiner Sicht sind insbesondere folgende Sachverhalte weiter zu hinterfragen:

  • Bei den Kosten für die Nutzung freier und proprietärer Software im Vergleich weicht die Bundesregierung aus. Ohne dies mit konkreten Zahlen hinterlegen zu können, antwortet sie, dass das Potential der Einsparungen durch den Einsatz von freier Software nicht in vollem Umfang ausgeschöpft werden konnte. In welchem Umfang dennoch Einsparungen erzielt werden konnten, wird nicht beziffert. Die Tatsache, dass die IT-Kosten bei Nutzung freier Software pro Arbeitsplatz (!) deutlich gesenkt wurden, bleibt von der Bundesregierung unkommentiert.
  • Offensichtlich will die Bundesregierung den Standard für die Softwarenutzung neu definieren. In der Antwort auf meine Anfrage schreibt das Innenministerium:

Es hat sich jedoch gezeigt, dass Aufwendungen für Anpassungen und Erweiterungen durch selten bereits vorhandene Treiber und Schnittstellen höher sind als beim Einsatz von weit verbreiteten proprietären Produkten (Standardsoftware). (Hervorhebungen durch den Verfasser)

Es gilt somit für die Bundesregierung: Standardsoftware entspricht proprietärer Software. Mit dieser Sichtweise dürfte sie ziemlich allein da stehen oder sie nutzt einen unscharfen Begriff von Standardsoftware.

  • In dieser Hinsicht ist auch interessant, welche Form der Standardisierung im Hinblick auf Dateiformate offensichtlich angestrebt wird. So wird zukünftig anscheinend weniger die Nutzung von freien Formaten angestrebt (wie es beim Beispiel ODF in der Vergangenheit geschehen ist), sondern das primäre Ziel scheint eine „Standardisierung der IT-Systeme“. „Standard“ wurde, s. o., als proprietäre Softwarelösung definiert. Mit diesen Definitionen wird der Boden dafür bereitet, die IT-Strategie für das Auswärtige Amt auf proprietäre Software  umzustellen. So heißt es in der Antwort auf die Frage 8 wörtlich:

Je nach zu erfüllender Anforderung wird die passende Lösung zunächst bei den in der Bundesverwaltung standardisierten (vgl. Definition oben, Anm. d. Verfassers) Anwendungen gesucht. Dies bedeutet eine Fortentwicklung der ursprünglichen ausschließlich auf quelloffene Software ausgerichteten IT-Strategie des Auswärtigen Amtes hin zu einer kooperativ ausgerichteten IT-Strategie im Rahmen der gemeinsamen IT-Strategie des Bundes.

Die Dimension wird einige Zeilen später deutlich:

Im Bereich der IT-gestützten Personalverwaltung beabsichtigt das Auswärtige Amt eine Kooperation mit dem Bundesministerium der Finanzen auf Basis einer proprietären Standardsoftware. […] Die Weiterentwicklung der Client-Systeme wird sich stark an den Benutzerbedürfnissen orientieren. Hier werden standardisierte proprietäre Client-Lösungen eingesetzt. (Hervorhebung durch den Verfasser)

  • Inwieweit die Bundesregierung bereits zum jetzigen Zeitpunkt mit Unternehmen über die Umsetzung einer neuen IT-Strategie verhandelt wird aus meiner Sicht zumindest unzureichend oder gar ausweichend beantwortet. Die Bundesregierung schreibt zwar, dass keine Unternehmen bei der Weiterentwicklung der IT-Strategie beteiligt seien. In einzelnen Projekten seien aber unterschiedliche Unternehmen mit Teilaufgaben beauftragt worden. Insofern dies auch die Client-Computer beträfe, würde es sich wohl um einen umfassenderen Auftrag handeln. Hier müssen wir nachhaken und die Bundesregierung zu einer klareren Stellungnahme auffordern.
  • Die Fragen nach der Sicherheit proprietärer Software sind nur unzureichend beantwortet worden. Die Bundesregierung antwortet, es seien beim Einsatz von proprietärer Software keine besonderen Sicherheitsanforderungen notwendig. Aus der IT-Szene höre ich, dass diese Auffassung nicht unbedingt ungeteilte Zustimmung findet. Schließlich waren bekannte und große Sicherheitslücken in der Vergangenheit ausschließlich bei proprietären Betriebssystemen bekannt. Es liegt nahe, zu vermuten, dass die Bundesregierung mit Phänomenen wir das bekannte Beispiel „Stuxnet“ allzu sorglos umgeht.
10 Kommentare
  1. lutterworth sagte:

    danke für ihre anfrage. bitte nicht locker lassen, das ganze finde ich ne ziemliche sauerei!

    zb hat ja auch münchen seine ganze verwaltung auf open source gestellt – alles prima. dh es könnte tonnenweise geld gespart werden un der open software bewegung ein grosser dienst durch weiterentwicklungen, image etc gegeben werden.

    also bitte nicht locker lassen!

  2. Alcar sagte:

    Es zeigt sich wieder ganz klar, das der Wille sich von proprietären Software und von kommerziellen Unternehmen unabhängig zu machen, nicht wirklich da ist.

    Auch Drogen- und Alkohol abhängige haben Rückfalle.

    Bei Nutzung proprietärer Software kann man einige Parallelen erkennen.

    Das Standardargument die Schulungen und die Wartungen seien kostspieliger kann ich persönlich nicht nachvollziehen, es wird leider ständig so getan als braüchte man bei proprietärer Software fast keine Schulugen, was definitiv nicht wahr sein kann.

    Vor allem bei z.B. Windows gibt es gravierende Probleme bei umstellungen auf neu Betriebsystem generationen (z.B von WinXP und nach Win7 oder Windows 2003 Server nach windows 2008 Server). Diese Probleme sind bei freiesoftware äusserst selten. Diese Probleme schliesen Schulungen des Personals wie auch Treiber und Software inkompatibilität mit ein.

  3. Syren Baran sagte:

    Der Antwort ist zu entnehmen, daß das auswärtige zusätzliche Scanner und Drucker-Treiber geschrieben hat.
    Da diese Treiber aus Steuergeldern finanziert wurden, würde ich mich über einen Downloadlink freuen.

  4. H. Huber sagte:

    Geld regiert die Welt, auch in Deutschland.

    Auch in der IT kommt zuerst die Macht der Abzocker zum Zuge und erst dann die Technik.

    Es braucht deshalb mehr Kontrollen für mehr Transparenz.

    Danke für Ihre Arbeit als Demokrat.

  5. Uwe Rüdiger sagte:

    In Russland wird mit Beschluss der DUMA die gesamte IT-Infrastruktur auf quellloffene Software umgestellt, selbst hier hat man die Zeichen der Zeit erkannt (und die Systeme laufen auch auf älterer Hardware). Erstens soll hier die Sicherheit der Systeme erhöht werden, MS & CO. eingespart werden, und diese Systeme laufen auch auf älterer Hardware bzw. diese kann als Terminal für eine Serververbindung benutzt werden (Linux Terminal Server) !!!.

    Es ist für mich ein Skandal, wie hier eine solche Rolle Rückwärts des AA und der Bundesregierung gemacht werden soll, immerhin sind auch meine Daten als Bürger hier ernsthaft in Gefahr, da diese immer irgendwo bei Behörden oder Ministerien hinterlegt sind.

    Und eine Sicherheitsgefahr bei unfreier Software zu leugnen ist schlicht unfug. Gerade Microsft hat und wird sein Betriebssystem NIE sicher machen können, existieren doch immer noch gravierende Sicherheitslücken, die immer wieder ausgenutzt werden.

    Ich bitte Sie inständig darum, dieses Thema dringlich zu behandeln und diesen Unfug beim AA zu stoppen.

    Ach ja, und nun zu der Frage der Treiberentwicklung: da es ein Kompetenzzentrum FREIE SOFTWARE gibt, kann man hier evtl. benötigte Treiber auch anpassen bzw. stellt seine Ausschreibung ausschließlich auf Produkte, die diese Anforderungen an freie Software erfüllen, aus. Und sollte ein Treiber mal nicht laufen, so kann dieser emuliert eingebunden werden (GOOGLE hilft immmer ).

    PS: ich nutze seit Jahren freie Software und habe bisher nie Probleme damit gehabt.

  6. EinBürger sagte:

    @Uwe Rüdiger
    Und die Russen sind dabei nicht alleine. Aus Brasilien und Indien wurde bereits über ähnliche Pläne berichtet.

  7. marcelus sagte:

    „Die Weiterentwicklung der Client-Systeme wird sich stark an den Benutzerbedürfnissen orientieren“
    Wie soll das im Einklang mit proprietären Produkten stehen? Nur freie Software kann den Bedürfnissen für „geringe Kosten“ beliebig angepasst werden.

    Wie kann man nach solanger Zeit behaupten es gäbe schwierigkeiten mit den Treibern? Vielleicht zu beginn. Mittlerweile sollte eine ganz neue Generation von Hardware Einzug im AA gefunden haben. Und ich gehe davon aus, dass diese auch Linux-Kompatibel ist.

    Es darf nicht sein, dass auf Kosten der Steuerzahler eine solches Dummverkaufen stattfindet!

  8. Timon Zielonka sagte:

    In der Antwort zur keinen Anfrage heisst es:
    Es gab „tatsächliche Einsparungen … von 2005 bis 2007“. „In den Folgejahren entstanden zusätzlich Kosten … für Druckertreiber“. Konnte man vor 2007 nicht drucken?
    Jetzt gibt es ja die Druckertreiber und daher werden die Kosten sinken, oder?
    Welche Probleme bestehen jetzt konkret noch? Dies lässt die Antwort offen.

    Bitte nachfragen! Danke

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