Ja zu ISAF, aber Nein zum „Weiter so“

In der namentlichen Abstimmung über den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr im Bundestag habe ich am Donnerstag für die Verlängerung für ein Jahr gestimmt. Meine Stimme ist verbunden mit dem Entschließungsantrag der SPD-Fraktion, der klare Bedingungen für eine Fortsetzung des Einsatzes beschreibt und einen Rahmen für einen Abzugsplan der Bundeswehr aus Afghanistan in einem überschaubaren Zeitraum aufzeigt.

Die Entscheidung über die Verlängerung des Bundeswehr-Einsatzes habe ich mir gewiss nicht leicht gemacht. Bereits im Sommer habe ich die ersten Gespräche über das Thema geführt und auch in dieser Woche haben wir das Thema in der SPD-Fraktion intensiv diskutiert. Gerade weil der Einsatz so schwierig und gefährlich ist und weil die Bundeswehr dazu ein eindeutiges Votum des Parlamentes braucht, war für mich klar, dass ich mich nur mit Ja oder Nein entscheiden konnte.

Zuerst jedoch noch ein Wort zu dem, was zu entscheiden war. Hier ging es nämlich einzig und allein um die Entscheidung, ob die Bundeswehr auch nach dem Ablauf des gültigen Mandates am 13.12.2009 noch in Afghanistan ist oder ab diesem Datum abzieht.

Mein Mandat hat mit dem 27.10.2009 begonnen. Ich habe also nicht grundsätzlich über die Notwendigkeit des Einsatzes entschieden, sondern eine Lage nach meiner Wahl vorgefunden. Diese beinhaltet, dass die Bundeswehr bereits in Afghanistan tätig ist, dass es Erfolge aber auch Stagnation bei der Erfüllung des Auftrags gibt, dass die Sicherheitslage in Afghanistan allgemein und damit auch für die Bundeswehr instabiler geworden ist und dass durch die katastrophale Informationspolitik des Verteidigungsministeriums ein enormer Vertrauensverlust im Parlament und in der Bevölkerung entstanden ist.

Vor diesem Hintergrund hatte ich darüber zu entscheiden, ob ich einer Verlängerung des Einsatzes im Rahmen der ISAF-Mission für ein Jahr zustimmen würde oder nicht. Bei dieser Frage spielt für mich eine wichtige Rolle, welche Folgen meine Entscheidung haben würde. Ich gebe zu, eine Verlängerung des Einsatzes ist eine riskante Entscheidung, weil ich nicht ausschließen kann, dass sich die Sicherheitslage weiter destabilisiert und dass der Untersuchungsausschuss zu dem Vorfall am 4.9.2009, bei dem 142 Menschen zu Tode gekommen sind, weitere Informationen befördert, die den Einsatz in neuem Licht erscheinen lassen. Andererseits hat niemand, der mir empfohlen hat, für den unverzüglichen Abzug der Bundeswehr zu stimmen, aufzeigen können, was danach passieren würde. Werden dann die erkämpften Freiheiten zum Beispiel für den Schulbesuch von Mädchen beibehalten? Werden dann die bewaffneten Auseinandersetzungen schlagartig aufhören? Und wenn nicht, was ist dann mit der Zivilbevölkerung in Afghanistan? Hört dann Korruption und Wahlfälschung mit einem Schlag auf? All das erscheint mir doch sehr vage und all das wird auch nur unter sehr riskanten Annahmen zu beantworten sein. Zweifel bleiben also bei jeder Entscheidung.

Meine Stimme steht unter der Überschrift „Kein kopfloses „Raus aus Afghanistan“ und kein kopfloses „Weiter so!“. Es muss jetzt einen klaren Plan geben, welche Bedingungen in Afghanistan für einen Abzug der internationalen Truppen erfüllt werden müssen und wann dieser in einem überschaubaren Zeitraum stattfinden kann. Das zu erreichen, muss das Ziel der internationalen Afghanistan-Konferenz im nächsten Jahr sein. Deshalb und unter den vorgenannten Voraussetzungen ist meine Zustimmung sozusagen ein Vorratsbeschluss. Denn in einem Jahr wird der Bundestag wieder über die Verlängerung des Einsatzes abstimmen und sollte die Staatengemeinschaft unter der Beteiligung der Bundesregierung kein Ziel erreichen, das in diese Richtung weist, so würde ich einer weiteren  Verlängerung nicht zustimmen können.

In einem Entschließungsantrag haben wir als SPD unsere Vorstellungen dargelegt. Es ist wichtig, die Mission auf ein klar operationalisierbares Ziel zu konzentrieren. Der deutsche Beitrag kann nur im Aufbau eines Sicherheitswesens liegen, dass die Grundlage dafür bildet, dass die afghanische Regierung in der Lage ist, selbst für Sicherheit im Land zu sorgen. Deshalb ist es für mich nicht nachvollziehbar, dass die deutsche Hilfe beim Aufbau von Polizei und Armee ins Stocken geraten ist. Die internationale Afghanistan-Konferenz muss gerade in diesem Punkt zu klaren Vereinbarungen kommen, wie viele Polizisten und Soldaten ausgebildet werden müssen und welche Bedingungen die afghanische Regierung dafür erfüllen muss. Das ist umso notwendiger geworden, als die Umstände bei der Wahl des Präsidenten offensichtlich nicht demokratischen Maßstäben genügen konnte.

Im Klartext: wir brauchen keine Aufstockung der Truppen, wie Präsident Obama vorgeschlagen hat, wir brauchen zunächst einen verbindlichen Zeitplan für die Beendigung der internationalen Präsenz in Afghanistan. Es ist jedoch klar, dass es eine einfache Fortsetzung des Einsatzes in der gleichen Art und Weise, wie sich die Bundesregierung das wünscht, zu einem endlosen und womöglich auch riskanten Einsatz für die Soldaten führen.

Mir ist wichtig, dass man die Einsätze nicht in jährlicher Routine einfach fortführt, sondern sich jedes Mal grundlegend damit auseinander setzt. Ich weiß auch, dass es in meinem Wahlkreis viele Anfragen und Kritikpunkte zu diesem Einsatz gibt und viele Menschen für einen sofortigen Abzug der Truppen sind. Ich habe jedoch meine Haltung auch schon vor der Wahl so offen dargelegt und vertreten. Dennoch werde ich die Diskussion über die Afghanistan-Problematik weiter führen und Anfang des Jahres zu entsprechenden Veranstaltungen einladen.