Zum Stichwort Klientelpolitik

Millionenspenden und Gefälligkeiten, Lobbyisten in den Chefetagen der Ministerien und eine Kampagne gegen sozial Schwache. Das Bild von Politik wird derzeit durch die Klientelpolitik der Bundesregierung und der sie tragenden Parteien bedenklich beschädigt.

Was erwartet eigentlich ein Milliardär, der 1,1 Millionen Euro an die FDP spendet und damit rund 20% des gesamten Wahlkampfetats dieser Partei finanziert? Will er, unter anderem als Besitzer einer Hotelkette in Deutschland, lediglich mit einer Spende zur Förderung ehrenamtlicher Aktivitäten beitragen (was er auch bei den Wohlfahrtsverbänden, bei der Feuerwehr oder im Sportverein tun könnte) oder verbindet sich damit nicht doch die Erwartung konkreter politischer Maßnahmen?

Spenden, auch Spenden von Unternehmen, an Parteien sind zunächst einmal nicht bedenklich. Alle Parteien erhalten Spenden, wenngleich CDU, CSU und FDP einen deutlich höheren Betrag aus Spenden erhalten als alle anderen Parteien. Und vermutlich lässt sich auch niemals zweifelsfrei aufklären, ob der Baron von Finck als Großspender und Hotelkettenbesitzer mit seiner Spende an die FDP die Mehrwertsteuersenkung für Beherbergungsdienstleistungen herbeiführen wollte, die übrigens von der Koalition gegen jede Expertenmeinung durchgepeitscht wurde. Und doch wird das System dieses Beziehungsgeflechts an diesem Beispiel sichtbar. Denn der Baron spendet Beträge in dieser Größenordnung vielleicht nicht in der Erwartung einer einzelnen politischen Maßnahme, jedoch ganz deutlich in der Erwartung eines insgesamt interessengeleiteten politischen Handelns. Will heißen: in der Summe muss schon etwas in seinem Sinne dabei herausspringen!

Politik muss sich in demokratischen Gesellschaften schleunigst von dem Vorwurf der Käuflichkeit lösen. Dieser klebt aber nunmal weiterhin an der FDP und sie wird ihn erst dann los, wenn sie die Spende zurück zahlt und am besten auch noch diese unsinnige und schädliche Mehrwertsteuersenkung zurücknimmt. Dazu ist sie aber unter keinen Umständen bereit.

Der Parteivorsitzende Westerwelle scheint eher nach dem Motto vorgehen zu wollen „Ist der Ruf erst ruiniert…“. Mit seiner schäbigen Kampagne gegen unseren Sozialstaat will er ungeniert Sozialneid schüren und den Boden für massive Kürzungen von Sozialleistungen bereiten, aus denen dann wiederum die Steuerentlastungen für die Wähler- und Spenderklientel der FDP finanziert werden können.

Es ist ja im Prinzip richtig, dass derjenige, der den ganzen Tag arbeiten geht, mehr haben muss, als der, der nicht arbeitet. Aber dafür müssen wir erstens Jobs für alle, die arbeiten wollen, schaffen und zweitens dafür sorgen, dass alle, die arbeiten gehen, wenigstens so viel verdienen, dass sie davon anständig mit ihren Familen leben können und nicht zusätzlich Hartz IV beantragen müssen. Wenn Westerwelle es ernst meint und nicht nur seine Wählerklientel, dann darf er diese Ungerechtigkeit nicht weiter verniedlichen und muss für den Mindestlohn eintreten. Denn sozial ist, was nicht nur Arbeit schafft, sondern was Arbeit schafft, von der man leben kann!

Klientelpolitik meint die Verfolgung von Einzelinteressen, die dem Allgemeinwohl übergeordnet werden. Wie soll man es also unter dieser Voraussetzung bezeichnen, wenn ein führender Lobbyist der privaten Krankenversicherungen eine leitende Stellung im FDP-geführten Gesundheitsministerium bekommt? Wie soll man es unter diesen Umständen werten, dass die FDP für ihre Mitglieder (und nur die FDP) bei der größten deutschen privaten Krankenversicherung Sondertarife und sogar die Möglichkeit der Familienversicherung verfügt? Wie nennt man es, wenn ein führender Lobbyist der Atomindustrie eine leitende Stellung im CDU-geführten Umweltministerium erhält und demnächst die Verlängerung der alten Atommeiler aushandeln soll?

Bei aller gebotenen Zurückhaltung: Klientelpolitik ist leider nicht nur eine Polemik, sie ist Realität im Regierungsalltag der Bundesregierung und sie schadet dem Ansehen und der Glaubwürdigkeit unserer Demokratie.Thumbnail Klientelpartei