Darum geht es jetzt: Vier Jahre gut arbeiten
256.64 Mitglieder der SPD haben für die Annahme des Koalitionsvertrags mit CDU und CSU gestimmt, 80.921 dagegen, bei einer Wahlbeteiligung von fast 78%. Das bedeutet eine Zustimmung der SPD-Basis von fast 76 %. Ab jetzt beginnt die Arbeit an den zentralen Projekten des Vertrags und damit die Bestätigung des Vertrauens unserer Parteibasis und der über 11 Millionen Wähler der SPD.
Mit diesem Mitgliedervotum hat die SPD nach meiner Einschätzung nicht weniger als ein neues Kapitel innerparteilicher Demokratie aufgeschlagen. Denn erstmals wurde eine so wichtige Entscheidung für die SPD nicht von einem Parteitag oder wie bei anderen Parteien von kleinen elitären Kreisen getroffen, sondern von allen Mitgliedern. Das setzt Maßstäbe für weitere Entscheidungen, die später einmal anstehen werden, und das wird auch bei den anderen Parteien nicht ohne Auswirkungen bleiben. Und es wird auch die Frage neu aufwerfen, warum es auf Bundesebene immer noch nicht möglich ist, die Menschen in Volksabstimmungen an wichtigen Entscheidungen außerhalb von Wahlen zu beteiligen. Ich habe jedenfalls erlebt, dass das Mitgliedervotum für viele spannende Debatten in der SPD gesorgt hat. Selten wurde an der SPD-Parteibasis so offen und auch kontrovers über die Ziele der SPD diskutiert wie in den vergangenen Wochen. Auch dafür hat sich das Mitgliedervotum gelohnt.
Ich selbst habe dem Koalitionsvertrag zugestimmt. Dabei musste ich zu einer Abwägung kommen, wie jedes Mitglied: Reicht das, was wir erreicht haben, aus, um das Leben der Menschen, die uns bei der Bundestagswahl ihr Vertrauen gegeben haben, zu verbessern? Ich denke, das ist in vielen Fällen erreicht worden. Wenn der Mindestlohn jetzt endlich dank der SPD kommt, dann hilft das den 7 bis 8 Millionen Menschen ganz konkret, die weniger als 8,50 Euro in der Stunde verdienen. Ich glaube auch, dass die 11.252.215 Wähler, die uns gewählt haben, von der SPD jetzt nicht erwarten, dass wir in selbstgefälliger Rechthaberei verharren, sondern dass wir versuchen, so viel wie nur irgend möglich von dem umzusetzen, was wir vor der Wahl versprochen haben. Und das geht einfach nur in der Regierung. So bin ich am Ende zu einer Zustimmung gekommen.
Wir müssen aber auch so ehrlich sein, die Punkte zu benennen, bei denen wir uns durchgesetzt haben. Ich glaube, dass wir uns auf eine Koalition des Pragmatismus und der Vernunft einstellen können. Sie wird viele Dinge verbessern und wird auch viele grundlegende Fragen klären, für die man den Konsens unter den großen Volksparteien braucht (z.B. die für meinen Wahlkreis sehr bedeutsame Regelung der Bund-Länder-Kommunen-Finanzierung). Eines wird diese Koalition jedoch nicht im von der SPD gewünschten Ausmaß leisten: gesellschaftlichen Aufbruch. Vielleicht ist die Zeit momentan nicht danach. Das Wahlergebnis könnte diesen Schluss zumindest nahelegen. Wir müssen das nur immer wieder deutlich machen. Mit Fortschrittsverweigerern lässt sich Pragmatismus machen, aber keine gesellschaftliche Modernisierung. Für Modernisierung braucht es ab 2017 wieder andere Mehrheiten im Bundestag. Und daran arbeitet die SPD dann auch wieder: Keines unserer politischen Ziele, die wir in unser Regierungsprogramm geschrieben haben und die jetzt nicht nicht im Koalitionsvertrag verankert werden konnten, wird aufgegeben. Einiges muss aber auf die Zeit nach 2017 verschoben werden.
Und das ist auch der zentrale Anspruch unserer Mitglieder, die den zukünftigen Bundesministern, der Bundestagsfraktion und der gesamten Parteispitze keinen Freifahrtschein ausgestellt haben, sondern uns allen einen Vertrauensvorschuss gegeben haben. Sie vertrauen darauf, dass wir erstens die Versprechen aus dem Koalitionsvertrag umsetzen, zweitens die Patente auf die Erfolge dieser Koalition sichern und drittens das Profil der SPD in dieser Koalition unverkennbar deutlich machen. Dazu wird es nötig sein, dass wir uns nicht auf den Koalitionsvertrag beschränken, sondern immer wieder deutlich machen, was wir einerseits erreicht haben und was wir andererseits noch erreichen könnten, wenn die SPD stärker würde und in einer Koalition des gesellschaftlichen Fortschritts regieren kann. Wenn uns das in den vor uns liegenden vier Jahren gelingt, dann bin ich sogar sehr zuversichtlich, dass die SPD stärker aus der Großen Koalition herauskommt als sie reingegangen ist!