Die europäische Finanzkrise und der aktuelle Verhandlungsstand zum Fiskalpakt
Die Ankündigung Spaniens, Hilfe aus dem Euro-Rettungsschirm zu beantragen, ist Ergebnis einer dramatischen Entwicklung. Die spanische Regierung bekennt damit, dass das Land aus eigener Kraft nicht mehr weiter kommt. Dies zeigt einmal mehr: Die Krise ist nicht gelöst, sie verschärft sich! Bundeskanzlerin Merkel wollte durch eine harte Sparpolitik eine Mauer errichten, damit die Probleme Griechenlands nicht zur Ansteckung der größeren Volkswirtschaften in der Eurozone führen. Doch die Krise frisst sich von den Ländern am Rande der Eurozone in das Zentrum des Währungsraums. Mit Spanien ist jetzt die viertgrößte Volkswirtschaft im Euro-Raum betroffen. Italien, das ebenso ungebremst in den Teufelskreis aus Rezession und Kapitalflucht rutscht, wäre die drittgrößte. Das hebt die gesamten Rettungspläne aus den Fugen. Denn jeder neue Hilfskandidat fällt auch als Garantiegeber für die Rettungsschirme aus.
Tatsache ist: 25 % Arbeitslosigkeit in Spanien, 50 % Jugendarbeitslosigkeit, das Eingeständnis des spanischen Finanzministers, den Zugang zum Kapitalmarkt verloren zu haben. Im 1. Quartal 2012 haben private Kapitalanleger fast 100 Milliarden Euro aus Spanien abgezogen. Unternehmen bekommen keinen Kredit mehr. Der Realwirtschaft fehlt das Geld, um wieder auf die Beine zu kommen. Dabei hat Spanien kein Staatsschuldenproblem, sondern ein Bankenproblem. Die Erschütterungen der Finanzmarktkrise, die steigende Arbeitslosigkeit und die rapide steigende Verschuldung haben dazu geführt, dass die Banken vor dem Ruin stehen. Spanien wird jetzt 100 Milliarden Euro Hilfskredite für seine Banken bekommen. Vor allem brauchen wir aber Klarheit darüber, ob diese Summe reicht.
Der Fall von Spanien lehrt jeden, der die Augen aufmacht, noch einmal: Die falsche Diagnose zieht die falsche Medizin nach sich. Merkel behauptet, die Staatsverschuldung sei die Ursache der Krise. Tatsache ist aber, dass Spanien ebenso wie Irland und Italien vor der Finanzmarktkrise 2007 und 2008 historisch niedrige Staatsschuldenstände hatte. Es war ihr Eingreifen um den Finanzmarkt zu stabilisieren und private Verschuldung auszugleichen, die die Staaten belastet hat. Tatsache ist, dass jetzt Rezession und Verlust von Vertrauen zu einer sich selbst verstärkenden Kapitalflucht führen, die Spanien und auch Italien in einen Staatsfinanzierungsnotstand treibt. Darauf mit dem sturen Gebot zu reagieren, kurzfristig nichts zu tun, außer Staatsausgaben zu kürzen, destabilisiert die Krisenländer nur noch mehr und treibt am Ende auch die Risiken für Deutschland als Kreditbürge und vor allem als Volkswirtschaft und damit für Tausende Arbeitsplätze in die Höhe.
Verhandlungen zum Fiskalpakt
Wir brauchen einen Kurswechsel der Politik, wenn wir den Euro und die wirtschaftliche Integration Europas retten wollen. Jede rechtlich fixierte Schuldenbegrenzung wird nichts bringen, wenn wir nicht die Bedingungen schaffen, damit öffentliche Haushalte sich konsolidieren können. Das ist der Grund, warum die SPD in den Verhandlungen zum Fiskalpakt klare Bedingungen formuliert hat: Europa braucht neues Wachstum und solide Einnahmen bei Steuern und Sozialversicherungen, um die Krise zu bestehen. Wir brauchen Investitionsimpulse, damit die Realwirtschaft wieder anspringt. Wir müssen die Jugendarbeitslosigkeit bekämpfen. Wir müssen ehrlich sagen, dass das Geld kostet. Und wir müssen auch deshalb die Finanztransaktionssteuer einführen, damit der Finanzsektor angemessen an den Kosten beteiligt wird.
In den Verhandlungen mit der Bundesregierung haben wir vergangene Woche bei der Finanztransaktionssteuer einen Durchbruch erreicht. Das ist ein großer Erfolg für die SPD. Die Vertreter der Regierung haben zugestanden, dass wir den Weg der verstärkten Zusammenarbeit von mindestens neun Staaten wählen, um die Steuer so schnell wie möglich einführen zu können. Schließlich gibt es Gespräche der Länder mit dem Bundesfinanzminister in denen sie fordern, dass ihnen keine zusätzlichen Lasten aus der innerstaatlichen Umsetzung des Fiskalpaktes entstehen. Der Bundesrat muss dem Fiskalpakt ebenfalls mit einer Zweidrittel Mehrheit zustimmen.
