Nationale Strategie für Alphabetisierung und Grundbildung Erwachsener darf nicht auf der Stelle treten

Anlässlich des Werkstattgesprächs der SPD-Bundestagsfraktion zur Alphabetisierung und Grundbildung in Deutschland erklären der bildungs- und forschungspolitische Sprecher Dr. Ernst Dieter Rossmann und der zuständige Berichterstatter Oliver Kaczmarek:

Die „Nationale Strategie für Alphabetisierung und Grundbildung Erwachsener“ droht auf der Stelle zu treten, wenn weiter vorranging nur einzelne kurzfristige Projekte gefördert werden. Die notwendige Verstetigung der Angebote und ein anspruchsvoller dauerhafter Mitteleinsatz von Bund und Ländern fehlen. Dies ist das Ergebnis des Werkstattgesprächs der SPD-Bundestagsfraktion zu Alphabetisierung und Grundbildung, in dem die SPD gut ein Jahr nach dem Ausrufen der Nationalen Strategie durch Bundesregierung und Kultusministerkonferenz eine erste Bilanz gezogen hat.

Alle Experten waren sich einig, dass die bisherigen Maßnahmen der Nationalen Strategie noch nicht ausreichend sind. Beispielsweise müssen Ansätze wie niedrigschwellige Angebote im unmittelbaren sozialen Umfeld und familienorientierte Hilfen, die die Adressatinnen und Adressaten vor Ort abholen, in die Strategie integriert werden. Anders wird die starke Tabuisierung des Problems nicht aufgebrochen werden können. Darüber hinaus ist die dauerhafte Finanzierung der Förderung von Lese-, Schreib- und Rechenkompetenzen innerhalb der Nationalen Strategie völlig unterbelichtet. Gebraucht werden mehr und stabil finanzierte Alphabetisierungskurse und ergänzende sozialpädagogische Betreuung, die auf die differenzierten Lebenslagen der Betroffenen eingeht. Notwendig sind auch gezielte Forschung bezüglich der Erreichbarkeit der Adressaten und der Erwachsenendidaktik und -methodik sowie ergänzende Leseangebote in „Einfacher Sprache“.

Die bisherigen Bemühungen der Nationalen Strategie sind keine adäquate Reaktion, um die Lese-, Rechen- und Schreibkompetenzen von 7,5 Millionen Menschen, die laut leo.-Studie funktionale Analphabetinnen und Analphabeten in Deutschland sind, zu erhöhen. Die SPD-Bundestagsfraktion fordert deshalb eine nationale Alphabetisierungsdekade, bei der der Bund 50 Millionen € im Jahr zusätzlich für eine Alphabetisierungsoffensive bereitstellt. Hierbei sollen alle Akteure in Deutschland, von Wohlfahrtsverbänden bis zu öffentlichen Einrichtungen, von der Bundesärztekammer bis zu den Arbeitgebern, ihren Beitrag leisten. Vorhandene Strukturen und bereits aktive Akteure sollen auf Augenhöhe einbezogen werden, damit die Anzahl der Analphabetinnen und Analphabeten in Deutschland in absehbarer Zeit deutlich gesenkt werden kann.

Der Kampf gegen Bildungsarmut in Deutschland ist für die SPD-Bundestagsfraktion nicht auf das Kindes- und Jugendalter beschränkt. Alphabetisierung ist altersunabhängig der Schlüssel zu mehr Bildungsgerechtigkeit und Teilhabe. Jedes Kind sollte das Recht auf Eltern haben, die lesen und schreiben können.