Richtige Weichenstellungen: Rot-grüne Politik in den Bundesländern
Am 21. Februar 2013 hat Oliver Kaczmarek in der Aktuellen Stunde auf Wunsch der Koalitionsfraktionen zur rot-grünen Politik in den Bundesländern im Plenum des Deutschen Bundestages geredet:
Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Ich bin ein bisschen enttäuscht. Ich habe mich vorbereitet und überlegt, mit welchen Finten Sie jetzt die Landespolitik in den rot-grün geführten Ländern auseinandernehmen könnten und wie wir darauf reagieren sollten. Aber im Grunde sind Sie, glaube ich, nur sauer über den Liebesentzug durch die Wählerinnen und Wähler, und so reagieren Sie auch: irrational.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Hermann E. Ott (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Schlechte Verlierer! ‑ Gustav Herzog (SPD): Beleidigte Leberwurst!)
Dabei ist die Antwort auf die Frage, warum Sie so viele Landtags- und im Übrigen auch Oberbürgermeisterwahlen verloren haben, ziemlich einfach: Sie haben selbst falsche Weichenstellungen vorgenommen. Sie haben Studiengebühren eingeführt. Sie haben in der frühkindlichen Bildung die Gruppengrößen heraufgesetzt. Dazu gibt es eine aktuelle Auseinandersetzung auch in Hessen. Sie haben die Gesamtschulen benachteiligt. Das ist in Niedersachsen ein ganz großes Problem.
Sie haben massiv gegen das Gerechtigkeitsempfinden der Menschen und massiv gegen das Chancengleichheitsverständnis verstoßen. Deswegen sind Sie abgewählt worden, und das zu Recht.
(Beifall bei der SPD)
Dass Sie daraus nichts gelernt haben, zeigt ein Blick in mein Heimatland Nordrhein-Westfalen. Denn in diesen Minuten kommt der Haushalts- und Finanzausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags zusammen. Die CDU wird dort ihre bekannten Vorschläge noch einmal vortragen: Wiedereinführung von Studiengebühren und Wiedereinführung von Elternbeiträgen im letzten Kindergartenjahr.
Sie wollen im Haushalt das Geld, das jetzt den Universitäten und Kindertageseinrichtungen als Kompensation zur Verfügung gestellt wird, streichen, und Sie wollen dafür die Eltern zur Kasse bitten. An diesem Beispiel wird der Unterschied zwischen Schwarz-Gelb und Rot-Grün aus meiner Sicht überdeutlich.
Während wir in Nordrhein-Westfalen die Familien durch die Abschaffung der Studiengebühren und die Beitragsfreistellung im letzten Kindergartenjahr um 400 Millionen Euro entlasten und das sauber mit einer Erhöhung der Grunderwerbsteuer gegenfinanziert haben, wollen Sie die Familien in Nordrhein-Westfalen mit 400 Millionen Euro belasten. Sie wollen eine Umverteilungspolitik zulasten der Familien in Nordrhein-Westfalen. Deswegen sind Sie auch zu Recht so weit weg von der Regierungsverantwortung.
(Beifall bei der SPD)
Sie wollen jetzt stattdessen aus Enttäuschung über Ihre Wahlniederlagen ‑ klar! ‑, aber auch aus einer gewissen Verantwortungslosigkeit, wie ich finde, gegenüber den Ländern die Länder schlechtreden, um sich eine bessere Ausgangsposition für die Bundestagswahl zu verschaffen.
Das führt mich zu zwei Schlussfolgerungen. Erstens. Ich glaube, dass diese Verweigerungshaltung, diese Verantwortungslosigkeit zeigen: Sie sind nicht mehr willens oder in der Lage, gesamtstaatliche Verantwortung zu übernehmen, und das insbesondere in der Bildungspolitik. Auf keinem anderen Politikfeld erwarten die Menschen nämlich ‑ zu Recht ‑ mehr Zusammenarbeit von Bund und Ländern wie in der Bildungspolitik.
(Beifall bei der SPD)
Wir müssen noch mehr in frühkindliche Bildung investieren, wir müssen mehr Ganztagsschulen einrichten, wir brauchen eine Ausbildungsgarantie. Viele weitere Beispiele könnte man dafür anführen, wo Bund und Länder dringend besser kooperieren müssen. Denn keines der Länder ‑ ich hätte auch noch die Hochschulen anführen können ‑ wird das auf Dauer allein schaffen.
Doch die Koalition verweigert sich einer systematischen Zusammenarbeit von Bund und Ländern in der Bildung. Sie halten am Kooperationsverbot fest und legen stattdessen eine Mini-Grundgesetzänderung vor,
(Zuruf von der CDU/CSU: Die Sie blockieren!)
die für ‑ das wissen Sie selbst ‑ die großen Bildungsherausforderungen nichts bewegt. Deswegen: Tun Sie sich endlich mit den Ländern zusammen! Die Menschen erwarten das zu Recht. Keiner will Ihr verantwortungsloses Schwarzer-Peter-Spiel gegen die Länder. Die Menschen erwarten zu Recht ein Miteinander in der Bildungspolitik und nicht ein Gegeneinander und Schuldzuweisungen.
(Beifall bei der SPD)
Zweite Schlussfolgerung. Während sich Schwarz-Gelb in zentralen Fragen eben nicht einigen kann, zeigen die rot-grünen Landesregierungen, wie man eine Haltung und damit auch Verantwortung übernimmt.
(Beifall bei der SPD)
Vor drei Wochen hat hier der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger gestanden, ein sehr geschätzter Mann, der eben nicht nur über Rechtsextremismus redet, sondern der ihn auch konsequent verfolgt und Organisationen verbietet. Er hat die Botschaft aller Innenminister überbracht, ein Verbotsverfahren gegen die NPD zu eröffnen.
Ich will das in der Sache gar nicht weiter ausführen, aber welcher Unterschied ist auch das? Hier ein Innenminister, der für alle Innenminister der Länder spricht, eine klare Haltung zum NPD-Verbot übermittelt, und dort im Saal eine Koalition und eine Bundesregierung, die noch nicht einmal in der Lage sind zu sagen, ob sie für oder gegen ein NPD-Verbotsverfahren sind, die nicht in der Lage sind, überhaupt irgendeine Haltung einzunehmen. Das ist ein echtes Armutszeugnis und auch ein klarer Unterschied zwischen Schwarz-Gelb und Rot-Grün.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Ein anderes, ein letztes Beispiel. Der Bundesrat hat Verantwortung für das Thema Steuergerechtigkeit übernommen und deshalb auch zu Recht das von Ihnen ausverhandelte Steuerabkommen mit der Schweiz abgelehnt. Welch ein Unterschied auch hier! Hier auf der rechten Seite diejenigen, die Steuerbetrügern für ein Taschengeld das Freikaufen ermöglichen wollen, und dort diejenigen, die mit konsequenter Strafverfolgung gegen Steuerbetrug vorgehen ‑ auch durch den Ankauf entsprechender CDs. Das ist eine Frage, die das elementare Gerechtigkeitsempfinden der Menschen betrifft. Auch hier ein ganz deutlicher Unterschied zwischen Schwarz-Gelb und Rot-Grün.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Insofern ‑ ich komme zum Schluss ‑ ist diese Aktuelle Stunde dann doch vielleicht sinnvoll, um deutlich zu machen, wo die Unterschiede liegen: Wir haben Verantwortung übernommen, Haltung gezeigt, Partei ergriffen. Wir haben Chancen geschaffen. Sie haben Ihre Chance seit 2009 nicht genutzt.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)