Kompromiss beim Bürgergeld

, ,

Diese Woche beschließen Bundestag und Bundesrat das Ergebnis des Vermittlungsausschusses zum Bürgergeld. Damit können die erhöhten Regelsätze pünktlich zum Jahresbeginn ausgezahlt werden und die Jobcenter können beginnen, die Reform in die Praxis umzusetzen. Dies ist ein wichtiges Zeichen für die Menschen in Zeiten von steigenden Preisen. Für uns war es in den Verhandlungen wichtig, dass trotz des Zeitdrucks der Kern des Bürgergeldes erhalten bleibt. Dieses Ziel konnten wir erreichen. Daran ändern auch die Anpassungen bei den Mitwirkungspflichten, bei der Karrenzeit und beim Schonvermögen, auch wenn wir es uns anders gewünscht hätten, nichts. Insgesamt konnten wir einen tragfähigen Kompromiss verhandeln, der die ganz große Mehrheit der mit dem Bürgergeldgesetz einzuführenden Verbesserungen beibehält. Auch mit den im Vermittlungsausschuss vereinbarten Änderungen stellen wir die Grundsicherung auf neue, starke Beine. Unser Ziel ist und bleibt ein moderner Sozialstaat, der als Partner an der Seite der Bürgerinnen und Bürger steht. Es geht um einen System- und Kulturwandel, eine Stärkung der Arbeitslosen, eine verlässliche Absicherung in Not und das Ziel, den Weg in gute Arbeit dauerhaft zu ebenen. Ein Sozialstaat, der den Menschen hilft, ihre Potenziale zu entwickeln und neue Chancen zu ergreifen. Ein Sozialstaat auf Augenhöhe, der mit weniger Bürokratie auskommt und mehr auf Kooperation setzt. Mit diesem Paradigmenwechsel lassen wir Hartz-IV hinter uns.

Konkret wurden folgende Änderungen am Bürgergeldgesetz im Vermittlungsausschuss vereinbart:

Im Bereich der Mitwirkungspflichten / Sanktionen:

  1. Die sechsmonatige Vertrauenszeit nach Vereinbarung des Kooperationsplans entfällt. Damit können Mitwirkungspflichten während des gesamten Prozesses grundsätzlich nicht mehr nur bei Meldeversäumnissen, sondern auch bei Pflichtverletzungen eingefordert werden.
  2. Pflichtverletzungen werden von Anfang an aber geringer sanktioniert. Um einen Weg zurück in die Mitwirkung aufzuzeigen, wird ein verbindliches abgestuftes Vorgehen gewählt:

Bei einer ersten Pflichtverletzung mindert sich der Regelbedarf für die Dauer von einem Monat um 10 Prozent. Bei einer zweiten Pflichtverletzung mindert sich der Regelbedarf für die Dauer von zwei Monaten um 20 Prozent. Ab der dritten Pflichtverletzung mindert sich der Regelbedarf für die Dauer von drei Monaten um 30 Prozent. Wenn nach der ersten Sanktion im Zeitraum von 12 Monaten keine weitere Sanktion hinzukommt, beginnt das Stufenmodell wieder bei 10 Prozent. Wir tragen damit auch dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts Rechnung. Eine urteilskonforme gesetzliche Regelung hierzu hatte die Union in der Vergangenheit verweigert. Zu Erinnerung: Ursprünglich war im Gesetz geregelt, dass Sanktionen mit 20 Prozent für drei Monate bei der ersten Pflichtverletzung und mit 30 Prozent für drei Monate bei der folgenden Pflichtverletzung ausgesprochen werden konnten.

  1. Die Regelungen treten zum 1. Januar 2023 in Kraft. Damit entfällt das Sanktionsmoratorium.
  2. Grundsätzlich erfolgt die Aufforderung zu Maßnahmen auf Grundlage des Kooperationsplans mit Rechtsfolgenbelehrung.

Im Bereich Karenzzeit / Vermögen:

  1. Die Karenzzeit soll 12 statt 24 Monate betragen.
  2. Im Vergleich zur derzeitigen Rechtslage aus der Zeit der Pandemie werden die Vermögensgrenzen abgesenkt. Für die erste Person der Bedarfsgemeinschaft gilt ein Freibetrag für Erspartes von 40.000 Euro, für die jede weitere Person von 15.000 Euro.
  3. Die Regelung zur Größe des selbstgenutzten Wohneigentums wird um eine Härtefallregelung ergänzt.

Was ist der Kern des Bürgergeldes, den wir bewahrt haben?

  1. Mehr Augenhöhe: Es bleibt beim Kooperationsplan, der die bisher stark verrechtlichte Eingliederungsvereinbarung ablöst. Dieser wird gemeinsam und auf Augenhöhe vereinbart.
  2. Mehr Rechte: Erfolgt keine Einigung, gibt es einen vierwöchigen Schlichtungsmechanismus. Er entlastet Jobcenter von unnötigen Klageverfahren. Die Rechte der Arbeitslosen werden dadurch gestärkt. Mehr Fördern: Wir bauen die individuelle und passgenaue Unterstützung aus, zum Beispiel durch das Entfristen des sozialen Arbeitsmarkts, aufsuchende Arbeit, Weiterbildungsgeld, Coaching und Bürgergeldbonus.
  3. Mehr Nachhaltigkeit: Der Vermittlungsvorrang wird abgeschafft. Statt schneller Vermittlung in irgendeine Arbeit geht es um nachhaltige Vermittlung in die passende Arbeit!
  4. Mehr Leistungsgerechtigkeit: Die Zuverdienstmöglichkeiten für junge Leute werden verbessert, sodass sie früh die Erfahrung machen können, dass sich Arbeit lohnt.
  5. Mehr Respekt für Lebensleistung: In den ersten 12 Monaten muss man nicht in eine andere Wohnung umziehen, sondern kann sich auf die Arbeitssuche konzentrieren. Zugleich muss das Ersparte in dieser Zeit nur eingesetzt werden, wenn es über 40.000 Euro für die erste Person und 15.000 Euro für jede weitere Person im Haushalt liegt. Altersvorsorgevermögen und selbst genutztes Wohneigentum sind geschützt. Es macht also einen Unterschied, ob man gearbeitet und sich was erspart hat, oder nicht.

Wir haben in der öffentlichen Diskussion in den letzten Wochen erlebt, dass die Union versucht hat, mit unsachlichen und falschen Behauptungen und einem doppelten Spiel das Bürgergeldgesetz zu stoppen. Wir haben gemeinsam mit unseren Ampel-Partnern in dieser Diskussion mit Sachargumenten dagegengehalten und führen nun zum nächsten Jahr das Bürgergeld ein und lassen damit Hartz-IV hinter uns. Darauf können wir stolz sein.