Beschneidungen von Jungen gesetzlich geregelt

In namentlicher Abstimmung hat der Bundestag über zwei Gesetzentwürfe zur religiösen Beschneidung von Jungen entschieden. Ich habe mich dabei für den Gesetzentwurf der Bundesregierung entschieden, der es Eltern erlaubt, in die religiös motivierte Beschneidung von Jungen einzuwilligen. Änderungsanträge aus meiner Fraktion, die weitere Präzisierungen zur ärztlichen Aufklärung, Ausbildungsvoraussetzungen nichtärztlicher Beschneider, Schmerzbehandlungen und Vetorecht forderten, fanden leider keine Mehrheit im Bundestag. Den Alternativantrag, der vorsah, dass eine Beschneidung nur möglich wäre, wenn der Junge das 14. Lebensjahr vollendet und der Beschneidung zugestimmt hat, habe ich abgelehnt. Die Entscheidung war notwendig geworden, nachdem das Kölner Landgericht entschieden hatte, dass die Beschneidung von Jungen als Körperverletzung einstufte.

In den vergangenen Wochen haben mich zahlreiche Zuschriften und Fragen, insbesondere von Gegnern der jetzt verabschiedeten Regelung, erreicht. Sie haben zu Recht das Kindeswohl an die erste Stelle gesetzt und sich dabei sowohl auf die Kinderrechtskonvention wie auch den Grundrechtekatalog des Grundgesetzes berufen. Daneben waren aber für die Abgeordneten auch das Recht der elterlichen Fürsorge und die Religionsfreiheit zu betrachten und abzuwägen. Meine Entscheidung habe ich natürlich vor dieser rechtlichen Kulisse, insbesondere aber von den realen politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen getroffen.

Beschneidungen werden in Deutschland in der islamischen und in der jüdischen Religionsgemeinschaft seit Jahrhunderten durchgeführt. Das ist natürlich auch zu berücksichtigen. Und ich würde mir wünschen, dass dieses Ritual, dass bei jüdischen Jungen bis zum 8. Tag nach der Geburt und bei Muslimen im Kindesalter durchgeführt wird, vielleicht in den Religionsgemeinschaften hinterfragt würde. Allerdings ist das eine Debatte, die aus den Religionsgemeinschaften selbst kommen muss. Diese Debatte kann nach meinem Verständnis nicht gesetzlich verordnet und entschieden werden.

Letztlich habe ich bei meiner Entscheidung auch versucht mir vorzustellen, was es bedeuten würde, wenn der Deutsche Bundestag ein Gesetz verabschiedet, mit dem die Beschneidung erst ab dem 14. Lebensjahr des Jungen erlaubt würde. Und allein die Vorstellung fällt mir schwer. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Deutschland das erste Land sein soll, dass Moslems und Juden die Ausübung ihrer Religion einschränkt. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass das in diesen Religionsgemeinschaften und auch in der Weltgemeinschaft nicht genau so gesehen würde. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass ein solches Gesetz der gelebten Realität in Deutschland gerecht würde. Würden Eltern, die ihr Kind gemäß ihren religiösen Ansichten beschneiden lassen, strafrechtlich belangt werden? Die Auswirkungen einer solchen Herangehensweise wären gesellschaftlich fatal.

Dem Kindeswohl ist durch einige Verbesserungen bei der Beschreibung der ärztlichen Kunst für die Beschneidung und damit auch der Schmerzbehandlung Rechnung getragen worden. Am Ende müssen jedoch alle Rechtsgüter abgewogen werden und die Antwort auf die Frage, ob Beschneidungen in Deutschland grundsätzlich erlaubt bleiben, kann nicht juristisch gegeben werden. Es ist unter politischen Umständen zu entscheiden. Und vor diesem Hintergrund halte ich den Vorschlag Beschneidungen erst ab dem 14. Lebensjahr zu ermöglichen für realitätsfern.

Meine Entscheidung, die Beschneidung auch weiterhin zu ermöglichen, ist auch der Verantwortung für das Zusammenleben von Kulturen und Religionen in Deutschland geschuldet. Sie ist natürlich angreifbar. Es gibt auch gute und konsequente Gründe, die Beschneidung für unter 14 jährige zu verbieten und ich habe Respekt vor der Entscheidung der Kolleginnen und Kollegen, die sich für diesen Weg eingesetzt haben. Meine Sichtweise auf das Thema ist jedoch eine andere und deshalb habe ich für das Gesetz gestimmt, dass die Beschneidung unter bestimmten Voraussetzungen weiterhin ermöglicht.