Verantwortung für Europa – Euro-Rettungsschirm (EFSF) stärken

Die derzeitige Krise bedroht Europa nicht nur als Wirtschaftsstandort, sondern auch als Wertegemeinschaft. Als größtes Land der EU und mit der stärksten Wirtschaftskraft ausgestattet trägt Deutschland eine besondere Verantwortung für die Zukunft der europäischen Gemeinschaft. Das große europäische Einigungswerk darf nicht gefährdet werden. Nur mit einem starken Europa lässt sich die Globalisierung gestalten. Darüber hinaus ist Deutschland auf ein starkes Europa angewiesen. Wir exportieren unsere meisten Güter nach Europa und profitieren wirtschaftlich durch die Europäische Union.

Die SPD-Bundestagsfraktion hat daher dem Gesetzentwurf zur Aufstockung und Ausweitung des Euro-Rettungsschirms zugestimmt. Schnelles und flexibles Reagieren auf die kritische Situation in einigen Mitgliedstaaten ist zur Stabilisierung der gesamten Eurozone notwendig. Künftig kann die „Europäische Finanzstabilisierungsfazilität“ (EFSF) unter strengen Auflagen und Konditionen einem Euro-Mitgliedstaat auch vorbeugende Kredite bereitstellen, Darlehen zur Refinanzierung ihrer Banken gewähren sowie bei Gefahren für die Finanzstabilität im Euroraum Anleihen eines Euro-Mitgliedstaates kaufen. Der von der Bundesrepublik Deutschland zur Verfügung stehende Gewährleistungsrahmen wird von 123 Mrd. Euro auf nunmehr knapp 211 Mrd. Euro erhöht. Das heißt: die EFSF kann Kredite am Kapitalmarkt aufnehmen und an die Länder weiter geben, die dazu aufgrund ihrer Verschuldung nicht oder nur unter hoher Zinslast in der Lage sind. Daran gekoppelt sind strenge Auflagen, die, wenn dagegen verstoßen wird, bis zum Verlust der Haushaltsautonomie des Nehmerlandes führen können. Die Gewährleistung Deutschlands würde nur dann fällig, wenn trotz dieser Maßnahmen Kredite nicht zurück gezahlt werden könnten.

Die SPD-Bundestagsfraktion fordert darüber hinaus unter anderem:

• Jeder Mitgliedsstaat des Euro-Währungsgebietes muss sich verpflichten, eine Schuldenregelung einzuführen, die gewährleistet, dass die Neuverschuldung konsequent begrenzt wird. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt ist zu verbessern und für die Mitglieder des Euro-Währungsgebiets zu verstärken.

• Die SPD-Fraktion fordert einen „Wachstumspakt Europa“. Wir wollen besonders für Staaten, bei denen sich wegen einer Rezession weitere Refinanzierungsschwierigkeiten abzeichnen oder die von makroökonomischen Ungleichgewichten negativ betroffen sind, zusätzliche, gezielte Wachstumsimpulse durch Förderung von Zukunftsinvestitionen aus Mitteln der Gemeinschaft. Dazu muss der Mittelabfluss der bestehenden europäischen Strukturhilfemittel vereinfacht werden, die der betreffende Staat erhält. Die Mittel, die aus dem Aufkommen einer Finanztransaktionssteuer zur Verfügung stehen, können bei der Investitionsfinanzierung helfen. So sollen diese Staaten aus eigener Kraft die Einnahmen erwirtschaften, um ihre Schulden zurück zahlen zu können.

• Zu einer koordinierten Wirtschaftspolitik gehören europäische Mindeststandards: Flächendeckende Mindestlöhne orientiert am durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommen im jeweiligen Mitgliedstaat sowie eine Harmonisierung der Unternehmensbesteuerung mit einer gemeinsamen Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer und Mindeststeuersätzen auf Kapitalerträge und Gewinne.

• Die Gläubiger sind grundsätzlich an der Sanierung zu beteiligen, wenn die Gesamtverschuldung eines Staates so hoch ist, dass er sie dauerhaft nicht mehr aus eigener Kraft bedienen kann. In Europa muss der Grundsatz gelten: Risiko und Haftung gehören zusammen.

• Wir wollen die Finanzmärkte in ihre Schranken verweisen. Erforderlich ist ein Verbot schädlicher Finanzmarktgeschäfte mit Derivaten und Leerverkäufen sowie des spekulativen Handels mit Kreditausfallversicherungen. Die Aufsichtsbehörden sind darüber hinaus mit weitgehenden Kompetenzen auszustatten, um bei einer Gefährdung der Finanzmarktstabilität weitere risikobehaftete Geschäfte aussetzen zu können. Kreditausfallversicherungen darf nur derjenige besitzen, der auch Eigentümer der entsprechenden Forderung ist. Wir brauchen außerdem eine strenge Regulierung des hochfrequenten Handels per Computer. Es ist zudem zu prüfen, ob durch die regulatorische Trennung von Investment- und Privatkundengeschäft für europäische Kreditinstitute die Finanzmarktstabilität gestärkt werden kann. Rating-Agenturen müssen streng beaufsichtigt werden.

Auch der SPD-Parteivorstand hat sich am Montag für die Stärkung des Euro-Rettungsschirms ausgesprochen und einen Beschluss veröffentlicht.

Den Beschluss des SPD-Parteivorstandes kann hier abgerufen werden:
http://www.spd.de/aktuelles/Pressemitteilungen/17708/20110927_beschluss_efsf.html

Unser Entschließungsantrag kann hier abgerufen werden:
http://dip.bundestag.de/btd/17/071/1707175.pdf

Zur Information:
Zu den Funktionen und Unterschieden von EFSF und ESM

EFSF = vorläufiger Euro-Rettungsschirm
Der sogenannte Euro-Rettungsschirm ist bis Juni 2013 befristet und hatte zunächst ein Volumen von insgesamt 750 Milliarden Euro. Der Schirm ist 2010 eingerichtet worden, um Euro-Staaten, die unter einer hohen Staatsverschuldung leiden, die Finanzierung des Staatshaushalts zu ermöglichen, ohne dass sich die Länder teure Kredite an den Kapitalmärkten leihen müssen. Der Euro-Rettungsschirm bestand zuerst zum einen aus dem Europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus (EFSM), einem Instrument der EU-Kommission mit einem Volumen von 60 Milliarden Euro und zum anderem aus der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF). Dies ist ein Instrument der einzelnen EU-Staaten, die Garantien von 440 Milliarden Euro übernommen haben, Deutschland bislang 123 Milliarden Euro. Zusätzlich hat sich der internationale Währungsfonds bereit erklärt 250 Milliarden Euro beizusteuern. Bisher haben Portugal und Irland Hilfsmaßnahmen der EFSF in Anspruch genommen.

Um Geld am Markt zu günstigen Zinsen zu leihen, möchte die EFSF auf ihre Anleihen ein gutes Rating, also eine gute Bewertung erhalten. Die Rating-Agenturen fordern dazu eine Absicherung der Anleihen, damit diese vor Ausfall geschützt sind. Für diese Absicherung war bislang keine Vorsorge getroffen worden. Mit der diese Woche beschlossenen Erweiterung des Rettungsschirms wurden die Garantien, also Bürgschaften, auf 780 Milliarden Euro erhöht, sodass effektiv 440 Milliarden Euro als Hilfsmaßnahmen zur Verfügung stehen. Das erhöht den Garantieanteil Deutschlands auf nunmehr 211 Milliarden Euro. Künftig soll die EFSF auch Anleihen direkt von Not leidenden Staaten kaufen können.

ESM = dauerhafter Stabilisierungsmechanismus
Im Oktober 2010 hat sich der Europäische Rat darauf verständigt, dass die Einrichtung eines permanenten Krisenmechanismus erforderlich ist, um die finanzielle Stabilität des Euro-Währungsraums sicher zustellen. Aktuell laufen Verhandlungen zur Umsetzung dieses dauerhaften Stabilitätsmechanismus = European Stability Mechanism = ESM. Der ESM soll ab Juni 2013 in Kraft treten und die EFSF ablösen. Ein Vertragsentwurf lag bereits Ende Juni 2011 vor, er muss nun in Brüssel von den Finanzministern und schließlich von den Staats- und Regierungschefs nachverhandelt und angepasst werden. Die Instrumente, die die EFSF bekommen hat, sollen auch für den ESM zur Verfügung stehen. Bislang ist vorgesehen, den ESM mit 700 Milliarden Euro an Kapital, aufgeteilt auf Garantien und eine Bareinlage in Höhe von 80 Milliarden Euro, auszustatten. Deutschland soll dafür 168 Milliarden Euro an Garantien und 22 Milliarden Euro Anteil an der Bareinlage bereitstellen.

Diese Entscheidungen sind noch schwieriger, weil Deutschland nicht nur zeitweise befristet, sondern dauerhaft bürgen müsste. Der Vertrag über die Arbeitsweise der EU müsste geändert werden. Im Übrigen stellen sich Fragen der parlamentarischen Beteiligung, der Gläubigerbeteiligung im Hilfsfall, der besseren Regulierung der Finanzmärkte und der generellen Beteiligung der Finanzmarktakteure an den Kosten in gleicher Weise neu.